Bild 11.2024

Ich sehe dich! Weil ich irgendwann gar nicht mehr zuhöre… „Wir sind hier zusammengekommen…“

Ich höre weg. Ich habe schon an deinem Sarg gestanden. Jetzt stehen wir an deinem Grab. Zusammengekommen sind wir. Und ich höre weg und gucke durch die Gänge und über die Reihen.

Ich sehe Steine und Blumen und Namen. Ich lese sie nicht. Ich sehe drüber hinweg. Ich sehe kahle Büsche und Bäume. Ich sehe den eisblauen, klaren Himmel. Und dann sehe ich dich!

Du gehst. Die Wege entlang gehst du von uns weg. Ich sehe dich nur noch von hinten. Ich sehe wie du dahingehst. Dein Gang. Deine Steppjacke. Deine grauen Haare. Du hebst den Arm im Gehen. Du winkst.

Ein letzter Gruß. Ohne dich umzudrehen. Das ist unser beider kleiner Abschied.

Und dann verschwindest du…

Du gingst und warst weg. Und so sehe ich es immer wieder vor mir. Als wärst du ganz real dort gewesen.

Dein Gehen. Dein Rücken. Dein Arm. Dein Tschüss. Dein „Nun ist auch gut.“ „Nun lass mich und mach weiter!“

Ich versteh es so. Es ist DU. Es ist ein harter aber bestimmender Abschied. Und es ist gut. 

(aus meinen 10Min-Pages 2024)

 

Der Versuch oder der Umstand einem Menschen noch einmal nach seinem Tod zu begegnen, sich nachträglich noch einmal zu verabschieden, oder ihn in sich selbst zu finden, mag nach etwas klingen, das entweder nur in einer Therapie oder unter Esoterikerinnen passiert. Aber der kreative Umgang mit Visionen, Träumen und magischem Denken hat einen festen Platz in allen unsren Kulturen der Welt.

Und es gehört in der Trauer zu einem sehr wichtigen und festen Bestandteil.

Wir müssen eine Kultur pflegen und uns um Rituale kümmern, die es zulassen, mit dem Tod und unserer Trauer umgehen zu können.

Und die uns helfen, den Tod in unser Leben einzubeziehen und die Verstorbenen zu integrieren und ihre Erinnerung zu bewahren.

KMS