Bild 03.2025
LÖCHER
Es tut nicht mehr vierundzwanzig Stunden am Tag weh, aber doch immer wieder, und jetzt bin ich über vierzig, und es ist zu spät...
Da heißt es, jeder hätte sein Päckchen zutragen, aber wie trägt man Verluste?
Ich trage keine Päckchen, sondern Löcher,
meine Päckchen sind Dinge, die nicht da sind...
ich bin da und trage diese Löcher mit mir herum.
(aus "LAUFEN" von Isabel Bogdan entstanden)
KMS
Bild 02.2025
Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrnehmung, die die Funktion eines Alarmsignals hat.
Ich komme mir vor, wie ein wandelndes Alarmsignal.
Überall Schmerzen.
Ohrenschmerz, Schmerzanfälle, Druckschmerz, Akutschmerz, Herzschmerz, Wachstumsschmerz, Kopfschmerz, Dauerschmerz, Schmerzempfindlichkeit, Anlaufschmerz, Gliederschmerz, Höllenschmerz, Geburtsschmerz, Trennungsschmerz, Kreuzschmerz, Bauchschmerzen, Langzeitschmerz, Muskelschmerz, Abschiedsschmerz, Bewegungsschmerz, Entzugsschmerz, Phantomschmerzen, Belastungsschmerz ...
Und ich habe das Gefühl, umso älter ich werde, desto mehr Schmerz kommt dazu. Und das ist doch eine Zumutung. Und ich möchte doch keine Zumutung sein.
Meine Therapeutin sagt, dass das ganz normal ist. Und dass diese Schmerzen gerade zwar meine sind, aber ich nicht die einzige bin, mit diesen Schmerzen. Und dass wir alle mit Schmerzen umgehen müssen. Das macht immerhin ein wenig Mut. Aber den Schmerz wird man nicht los. Vielleicht kann man ihn ja ab und zu in ein Regal stellen und muss ihn nicht immer mit sich rumschleppen. Aber die Menschen in meinem Leben müssen mit dem hässlichen Ding in meinem Regal leben. Das kann man doch eigentlich fast keinem zumuten. Schon gar nicht Kindern! Und die Therapeutin sagt: Jeder Mensch ist eine Zumutung. Und das ist gut und richtig so. Vielleicht hat es mit Mut zu tun?, meint sie. Mut, einen anderen Menschen zunehmen, wie er ist und den Mut zutrauen, mich aushalten und annehmen zu können.
Aber wer will schon eine Zumutung sein? Ich jedenfalls nicht. Aber Mut hätte ich gerne wieder mehr.
KMS
(mit und durch "LAUFEN" von Isabel Bogdan entstanden)
Bild 01.2025
Auf dieser Welt
Ist wirklich wenig sicher
Doch alle Nächte führen
Irgendwann zu Tagen
Max Richard Leßmann
Bild 19.2024
Unsere Kultur ist durchzogen von der Überzeugung, dass sich alles immer wieder in Ordnung bringen lässt.
Nur Trauer widerspricht diesem Glaube mit entschiedener Bestimmtheit.
Trauer und Verlust zwingt uns anzuerkennen, dass es auf dieser Welt Dinge gibt, die sich nicht so einfach wieder in Ordnung bringen lassen.
Trauernde müssen sich in einer veränderten Welt wieder neu zurecht finden.
Trauernde müssen sich ganz neu orientieren. Eine zentrale Herausforderung nach einem Verlust ist die Neuorientierung.
Trauernde müssen ihr Leben neu gestalten und ihren Platz neu finden.
Sie nehmen neue Positionen ein, entwickeln neue Routinen, haben eine neue Rolle zu erfüllen, neue Beziehungen, eine neue Art die Dinge zu sehen, zu erfahren, zu bewerten.
Das alles kann alles sehr schmerzhaft sein und sehr anstrengend.
Aber es kann auch ungeahnte neue Chancen bieten und Türen öffnen.
KMS
Bild 18.2024
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Hermann Hesse
Wir alle mögen Geschichten mit Happy End, wenn am Ende alle Hindernissen überwunden sind und alle glücklich und erfüllt in einen Sonnenuntergang gucken. Das befriedigt ein Bedürfnis, dass in unserer Wirklichkeit oft zu kurz kommt.
Doch die Geschichten unseres Lebens bestehen oft auch von Verlust, Trennung, Abschieden, Tod und Trauer.
Wenn wir diese Dinge nicht zulassen oder verleugnen wollen, würden wir eine Füller des Lebens nicht zulassen und verleugnen.
Verlust gehört zum Leben dazu:
Wir verlieren unsere Jugend, Freunde aus den Augen, ein schöner Tag geht zu Ende, Kinder verlassen das Haus, ein geliebter Mensch stirbt.
Wir müssen manchmal lernen stark und in der Lage zu sein, Unannehmlichkeiten zu ertragen und Schmerzen auszuhalten.
Dann entsteht oft Mut, ein Finden, ein Erkennen und Verwandeln.
Jeder kleine, mutige, tapfere, kämpferische Moment und Wendepunkt legt ein Fundament, auf das unsere Hoffnung bauen kann und gibt Zuversicht unser Leben weiter zu gestalten.
Diese ganz individuellen Momente zeigen, dass Trauer ihre ganz eigene Dynamik hat.
Und es zeigt, dass unsere Arbeit im Leben darin besteht, Verlust und Trauer auszudrücken und auszuhalten.
Dann können wir sicher sein, dass es sich verändert und dass wir uns dadurch auch verändern werden.
KMS
(Aus: >Trauert! Geschichten über das Leben, den Tod und die Kraft zum Weiterleben< von Julia Samuel)
https://www.beltz.de/sachbuch_ratgeber/produkte/details/36616-trauert.html
Bild 17.2024
Erinnerungen sammeln wie Steine
Runde, spitze, raue, große, kleine
Steine zur Erinnerung auf Gräber gesetzt
Für 30 Jahre den Platz besetzt
Dann müssen vielleicht auch die Toten gehn...
Dann wir der große trotzige Stein
Wieder rund und spitz und rau und klein
Gemahlen zu Schotter
Und Kieselstein
Zum Sammeln und Gedenken
Zum Festhalten und Verschenken
Erinnerungen zum Anfassen
Und zwischen den ganzen Steinen müssen wir lernen loszulassen.
KMS
Bosse "Loslassen lernen"
https://www.youtube.com/watch?v=6Maf5Zv-vL4
Bild 16.2024
UNVERFÜGBARKEIT
Der moderne Mensch will Vergrößerung und andauernde Verfügbarkeit.
Reichweite und Zugriff auf alles.
Aber was sich außerhalb unserer kontrollierenden Reichweite befindet,
ist das Fremde, das Irritierende, ist Loslassen und Unbeherrschbarkeit.
Und das ist das, was wir Leben nennen.
Dieses lebendige Leben lässt sich nicht voll und ganz planen und vorhersagen
und ist immer ein Moment der
Unverfügbarkeit.
Weiß nicht warum, aber ich komme hier immer wieder her
Sitze auf Knien vor deinem Grab
Hier findet jede Seele ihren Platz
Hier liegen Bilder in Schwarzweiß
Und tausend Sprüche über Frieden
Und "Jetzt bist du endlich frei"
Bunte Sträuße und warme LEDs flackern in den Abend
Und Engel aus Granit bewachen hier den ganzen Laden
Balancier auf einem Kantstein aus Marmor
Und finde, dass das unser Leben gut beschreibt
Überschrift für alles ist
Unverfügbarkeit
(frei nach Fynn Kliemann "TOD") https://www.youtube.com/watch?v=EwlCTxy8P-M
KMS
Bild 15.2024
Um die Vergänglichkeit erträglicher zu machen, halten wir auch an Dingen fest,
die unserer Sterblichkeit und Verletzlichkeit trotzen.
Ein Stein bleibt ein Stein
Stein um Stein
denke nur so geht es vorbei
Grabe im Geröll mit beiden Händen
Was wäre, wenn wir uns zwischen Steinen fänden?
KMS
("STEINE" - Bosse)
https://www.youtube.com/watch?v=45xxj3yBE4I
Bild 14.2024
Um die Vergänglichkeit erträglicher zu machen,
hält man an Dingen aus einer anderen Zeit fest.
Es macht die Vergänglichkeit erträglicher, wenn wir dem verstorbenen Menschen in Erinnerungsgeschichten nochmal begegnen können.
Und wenn wir die Zeit noch einmal zurückholen, und Gefühle aussprechen und Gefühle nochmal erleben.
Denn nichts ist so schmerzhaft, wie der Verlust, der Tod und das Loslassen.
Mit der Vergänglichkeit und dem Tod müssen wir die Idee von einem gemeinsamen Leben in der Gegenwart loslassen.
Es ist das Ende der bestehenden Umstände
Und es zerstört die Stabilität unserer Welt.
Um eine Stütze und einen Halt zu erfahren müssen wir sprechen und schreiben.
Oder malen und zeichnen.
KMS
Bild 13.2024
Trauern ist harte Arbeit.
Es geht ganz gut, sage ich oft und dann:
Aber es ist hart.
Das der Zustand einigermaßen gut ist, ist harte Arbeit .
Es ist hart, dass es so ist.
Immer wenn wir uns Geschichten erzählen über Papa, uns erklären wo er wie war und wo er wichtig und richtig war, wird die Last des Schmerzes ein wenig leichter.
Und dass wir wahrscheinlich immer traurig sein werden und dass immer etwas bleiben wird, worüber wir traurig sein können, das Verständnis hilft, es hilft uns zu akzeptieren.
Und es macht es etwas leichter.
KMS